Come­back im Isar­tal: Wie sich ein nie­der­bay­ri­scher Box­ver­ein kurz vor dem K.o. neu erfand

Der BC Landau

Eine Szene aus dem Training im BC Landau. Zwei Sportkler trainieren im Boxring, ein anderer Sportler geht im Vordergrund am Boxring vorbei.

Dass in einem nie­der­baye­ri­schen Ort mit knapp 15.000 Ein­woh­nern über­haupt ein Box­ver­ein exis­tiert, ist in die­sen Zei­ten bestimmt nicht selbst­ver­ständ­lich. Dass er aber auch noch wächst und mitt­ler­wei­le 500 Mit­glie­der zählt, dürf­te so wahr­schein­lich sein wie eine Kuh auf einem Motor­rad. In dem Sin­ne darf man den BC Land­au an der Isar e.V. als Phä­no­men ver­ste­hen. Und Peter Prech­ler als einen Ers­ten Vor­sit­zen­den, der mit dem aktu­el­len Stand sehr gut leben kann.

»Mir san ja der Kitt der Gesell­schaft, weil wir die Kids von der Stra­ße weg in sport­li­che Bah­nen len­ken«, erklärt er sein Cre­do. »Des­halb müs­sen wir z´sammenhalten, um die Zukunft unse­rer Akti­ven zu sichern.«

Die jungen Boxerinnen und Boxer des BC landau trainieren unter freiem Himmel auf dem Parkplatz der vereinseigenen Boxsporthalle.
Die Land­au­er Akti­ven sind beim Erwär­men nicht zu übersehen.

Es ist kurz nach 17 Uhr, als der ener­gie­ge­la­de­ne Mann mit dem dunk­len Teint, Jahr­gang 1963, vor einer schmu­cken Mehr­zweck­hal­le am Stadt­rand parkt. Auf jenem Vor­platz, den er und sei­ne Mit­strei­ter vor fünf Jah­ren gepflas­tert haben. Unter die­sem Dach, eigen­hän­dig von ihnen gedeckt, wer­den auf zwei Eta­gen gleich zwei Trai­nings­grup­pen gehö­rig Schweiß las­sen: Unten die jün­ge­ren, ambi­tio­nier­te­ren Mit­glie­der, oben die Fit­ness- und Frei­zeit­bo­xer. Das läuft mehr oder weni­ger simul­tan – und im Zwei­fel auch ohne ihn.

Aber irgend­was ist im enge­ren Kreis meis­tens zu bespre­chen, weiß Prech­ler aus Erfah­rung. Außer­dem wol­len sie nach­her im ›Rote-Couch-Raum‹ über dem Gym noch eine Wei­le gesel­lig zu sein, so wie jeden Mitt­woch. Denn wie heißt es im schrift­lich fixier­ten Leit­fa­den zur Ver­eins­phi­lo­so­phie: »Unser Sport­ver­ein ist mehr als nur ein Ort für Bewe­gung und Sport. Er ist eine Gemein­schaft, in der Zusam­men­ar­beit und Freund­schaft im Vor­der­grund stehen.«

Vereinsmitglieder sitzen in einem gemütlich eingerichteten Aufenthaltsraum auf einer roten Couch um einen Tisch herum.
Im Rote-Couch-Raum kommt alles auf den Tisch.

Trai­ning auf zwei Eta­gen – und auch noch Platz für eine rote Couch

So viel Z´samma war hier im Isar­tal, auf hal­ber Bahn­stre­cke zwi­schen Lands­hut und Platt­ling, viel­leicht noch nie. Und das hat viel mit der Immo­bi­lie zu tun, die dem 1962 gegrün­de­ten Ver­ein nun gehört. Sei­ne Ver­ant­wort­li­chen haben in kri­ti­scher Situa­ti­on viel Mut und noch mehr Geld auf­ge­bracht, um sich mit der Hobels­ber­ger Box­are­na, so der lang­fris­tig ver­mark­te­te Name, ein eige­nes Zuhau­se zu geben. Das hat ihm neue Bei­ne gemacht – und ein ent­schei­den­des Stück Zukunft gesichert.

So man­cher Club ver­lässt sich wohl dar­auf, dass sich immer eine Turn­hal­le oder eine ähn­li­che Räum­lich­keit fürs sport­li­che Trei­ben sei­ner Akteu­re fin­det. Das hielt man auch in der soge­nann­ten Berg­stadt zunächst nicht anders. Da zogen die Boxer mal von einem Neben­raum des Gym­na­si­ums in einen Kin­der­gar­ten, mal von einem Ver­schlag im Bahn­hof in ein ehe­ma­li­ges Fit­ness-Cen­ter ohne ver­läss­li­che Hei­zung. Alles »ziem­lich run­ter­kem­ma«, wie Prech­ler erin­nert. Er war vor Jahr­zehn­ten selbst als talen­tier­ter Youngs­ter dabei.

Als sie vor sechs, sie­ben Jah­ren dann von neu erschlos­se­nen Grund­stü­cken in einem Wohn- und Gewer­be­ge­biet am Orts­rand erfuh­ren, kam im Vor­stand eine küh­ne Idee auf: War­um da nicht eine Hal­le für den Ver­ein drauf­set­zen, aus der einen kei­ner ver­trei­ben kann? Also hol­te Prech­ler sei­nen Bru­der Roland und ehe­ma­li­ge Gefähr­ten ins Boot, um zusam­men an seriö­sen Kon­zep­ten zu fei­len, und warb über­all für das Pro­jekt – vom Bür­ger­meis­ter über den Land­kreis bis zum baye­ri­schen Lan­des­sport­ver­band. Sie alle sag­ten Unter­stüt­zung zu.

Bau­grund am Orts­rand: Hier konn­te etwas Neu­es entstehen

Den­noch hät­te das Gan­ze leicht schei­tern kön­nen, nach­dem der ers­te Ent­wurf aus­ge­rech­net im Ver­ein wegen der finan­zi­el­len Belas­tung abge­lehnt wur­de. Aber nicht nur im Ring, son­dern auch im Leben gibt es meist eine zwei­te Run­de, und in der kam eine zurecht­ge­stutz­te, güns­ti­ge­re Ver­si­on des Bau­pro­jekts durch. Als kauf­män­ni­scher Ange­stell­ter im Ver­trieb und Lang­stre­cken­läu­fer ist Prech­ler schließ­lich trai­niert, die Din­ge zu Ende zu brin­gen. Außer­dem sind die Wege in so einem Ort kurz: »Man ist per Du miteinander.«

Trotz­dem waren noch Lücken in der Finan­zie­rung zu schlie­ßen. Dabei hal­fen zum einen ein Zuschuss aus dem LEA­DER-Pro­gramm der EU zur ›Stär­kung der Lebens­qua­li­tät im länd­li­chen Raum‹, den sie auch mit einem Mehr an sozia­lem Leben und Inte­gra­ti­on begrün­de­ten, und zum ande­ren »der Hobels­ber­ger«: Ein befreun­de­ter Motor­sport­ler, der mit sei­nem Zim­me­rei-Betrieb das Dach auf die Are­na setz­te und im Gegen­zug die Namens­rech­te für 20 Jah­re erwarb. Nicht zu ver­ges­sen das Recht, die Flä­chen zur Ener­gie­pro­duk­ti­on aus Pho­to­vol­ta­ik zu nutzen.

Zwei Frauen beim Sparring im Boxring.
Als Ring­rich­ter schlüpft Vor­sit­zen­der Peter Prech­ler noch gern durch die Seile.

So konn­ten im Früh­som­mer 2020 der ers­te Spa­ten­stich sowie mehr als ein Jahr spä­ter das ers­te Trai­ning im neu­en Kom­plex durch­ge­führt wer­den. Bald folg­ten Ver­an­stal­tun­gen, die bei höhe­ren Tem­pe­ra­tu­ren auch mal auf dem Vor­platz stie­gen. Das sorg­te für mehr Sicht­bar­keit. Gleich­zei­tig wur­de das Ange­bot um Kur­se für Fit­ness­bo­xen erwei­tert, die ande­re Ziel­grup­pen anspre­chen – »vom Gerüst­bau­er über den Uro­lo­gen bis zum Apo­the­ker«, wie Prech­lers Bru­der Robert for­mu­liert. Sol­che Mit­glie­der kön­nen nicht nur höhe­re Bei­trä­ge zah­len als ein 16-jäh­ri­ger Gym­na­si­ast, son­dern even­tu­ell mal ehren­amt­li­che Auf­ga­ben übernehmen.

Außer­dem began­nen sie, die Räu­me der Mehr­zweck­hal­le in frei­en Zei­ten an exter­ne Grup­pen zu ver­mie­ten. Das kann mal der ört­li­che Turn­ver­ein, mal ein Bal­lett- oder ein Aero­bic-Kurs sein. Auf die­se Wei­se ist gleich auf meh­re­ren Ebe­nen Wachs­tum ent­stan­den, wie Robert Prech­ler zufrie­den bilan­ziert, »und die­sen Weg müs­sen wir gehen. Wenn wir nur vier deut­sche Meis­ter und sieb­zig akti­ve Mit­glie­der füh­ren wür­den, hät­ten wir ein Finanzierungsproblem.«

Das Bier­zelt als Busi­ness Case: Mar­ke­ting auf baye­ri­sche Art

Nicht zuletzt wird die Per­for­mance des BC Land­au aber auch andern­orts ange­bo­ten, sozu­sa­gen als kom­plet­tes Event-Paket. Dann stei­gen sei­ne bes­ten Akti­ven zwi­schen Haidl­fing, Platt­ling und Reis­bach in den mit­ge­brach­ten Ring, um sich mit ein­ge­la­de­nen Geg­nern aus den umlie­gen­den Ver­ei­nen zu mes­sen. Dar­in liegt eine grö­ße­re Außen­wir­kung, als man ver­mu­ten wür­de. So kom­men beim tra­di­ti­ons­rei­chen Dult- oder Bier­zelt-Boxen an Sonn­tag­vor­mit­ta­gen schnell mal bis zu 1800 Zuschau­er zusam­men. Wie das so geht in Bayern.

Die vereinseigene Boxhalle des BC landau im stimmungsvollen Abendlicht mit einer beleuchteten Fassade.
Im eige­nen Haus macht der Letz­te das Licht aus, wann er will. (Fotos: Nor­bert Schmidt)

Was für einen Unter­schied also ein paar neue, muti­ge Ideen aus­ma­chen. Peter und Robert Prech­ler kön­nen sich noch an den Tief­punkt um 2010 erin­nern, als sie viel­leicht drei­ßig, vier­zig Mit­glie­der und gera­de noch 1500 Euro in der Kas­se hat­ten. Heu­te dage­gen ist ihr BC der größ­te Ver­ein Nie­der­bay­erns und zählt auch den größ­ten im Bun­des­land. Was auch dar­an liegt, dass er inzwi­schen »ähn­lich wie eine Fir­ma«, also »mit Prä­sen­ta­tio­nen, Pro­to­kol­len und Kon­trol­len« geführt wird, wie Robert unterstreicht.

Das erfor­dert viel Auf­wand, stöhnt Peter Prech­ler, »du brauchst ja so eine Buch­hal­ter-Men­ta­li­tät«. Aber heu­er, am Mitt­woch, macht sich auf der roten Couch bald wie­der der Spaß­fak­tor breit, »und was das wert ist, die­ses Bier­chen danach, das glaubt man gar nicht.« Es sei denn, man hat es miterlebt.

Die Anfän­ge des metho­di­schen Box­sports rei­chen in Land­au an der Isar in die Nach­kriegs­jah­re zurück, als ein US-Sol­dat (›der brau­ne Joe‹) die Orts­ju­gend unter frei­em Him­mel anlei­te­te. 1962 wur­de der BC Land­au e.V. dann von 42 Mit­glie­dern begrün­det. Sei­ne ers­te Staf­fel besieg­te zur Pre­mie­re im Gast­hof zur Post eine Aus­wahl der Münch­ner Stadt­wer­ke. Anfang 2024 debü­tier­te mit Timo Sari­jev der ers­te in Land­au ent­wi­ckel­te Boxer in der Bun­des­li­ga – im Tri­kot des BC Strau­bing. Nach dem Bezug der neu­en, ver­eins­ei­ge­nen Mehr­zweck­hal­le (2020/21) zählt der BC Land­au mit rund 500 Mit­glie­dern zu den größ­ten Box­ver­ei­nen Niederbayerns.


Für mehr Infor­ma­tio­nen und Kon­takt:  www.boxclub-landau.de