Hier der hünenhafte, rund 110 Kilo schwere Brocken mit dem rheinischen Singsang, dort die quirlige Erscheinung aus Sachsen, die nicht mehr als 50 Kilo auf die Waage bringen darf: Verschiedener hätte das Duo, das am olympischen Sommerturnier die Farben des DBV vertritt, kaum ausfallen können. Doch in einem Punkt liegen Nelvie Tiafack (Superschwergewicht) und Maxi Klötzer (Halbfliegengewicht) völlig überein: Sie sind mit der letzten Zwischenstation auf ihrem Weg nach Paris gerade völlig einverstanden.
›Warum waren wir bisher noch nicht hier‹, schoss es Tiafack durch den Kopf, als er vergangene Woche mit Trainer Lukas Wilaschek Quartier im sogenannten Precamp in Saarbrücken bezog. Der Europameister aus dem Rhein-Erft-Kreis findet am Sportcampus Saar alles für eine rundum gelungene Vorbereitung vor – von den beiden Hochringen in der Halle 8 über Kraft- und Kälteräume bis zu Laufstrecken auf Kunststoff sowie in der Natur. Nicht zu vergessen die Angebote für sportmedizinische und physiologische Anwendungen, Mensa und Bibliothek. So hatte er beim Pressetermin am vergangenen Donnerstag nichts auszusetzen: »Ich finde es mega, dass es sowas in Deutschland gibt — vor allem in einer solchen Phase.«
Ideale Bedingungen für die letzten Vorbereitungen
Das hat Reinhard Jost als Landesminister für Inneres, Bauen und Sport auf dem Podium gern gehört: Er hat maßgeblichen Anteil daran, dass die saarländische Regierung zu dem Anlass substanziell in die Renovierung und den Ausbau der Anlagen investierte. Darum wollte sich auch Maxi Klötzer bei der Gelegenheit bedanken, »dass wir hier so´n tolles Camp machen können«. Das gute Gefühl war bei ihr jedoch schon vorher da. »Genau in dieser Halle habe ich vor neun Jahren meine erste deutsche Meisterschaft gewonnen«, erzählte sie dem Minister, DBV-Sportdirektor Michael Müller und Boris van der Vorst, Präsident des Weltverbands World Boxing (WB) nebst Trainern und Medienvertretern.
Internationale Betreiligung am Precamp
Nur Stunden später konnten die beiden Hoffnungsträger ihre Form wieder an hochwertigen Sparringspartnern überprüfen. Auch daran herrscht im Pre-Camp kein Mangel. Hier bereiten sich 65 Mitbewerber aus 15 weiteren Nationen mit 25 zusätzlichen Sparringspartnern aufs olympische Boxturnier vor. Zählt man die Athletinnen und Athleten anderer Disziplinen dazu, liegt der Headcount gar bei 400. Diese besondere Atmosphäre ist für ehrgeizige Charakter wie Tiafack und Klötzer zusätzliche Stimulation.
»Ich gehe in jedes Turnier mit der Erwartung, zu den Besten zu gehören«, erklärte Tiafack den Medienvertretern. Um das zu erreichen, wolle er »einfach alles« geben, »dann kann ich am Ende des Tages mit mir selbst zufrieden sein. Und wenn das fürs Podium reicht – umso besser.« In dem Sinne will sich auch Klötzer, die von Rene Benirschke trainierte ›halbe Fliege‹ vom Stützpunkt Frankfurt/Oder, voll fokussieren. »Ich weiß, wie stark meine Gewichtsklasse besetzt ist«, sagt sie. »Trotzdem ist es möglich, eine Medaille zu erreichen. Vor allem aber möchte ich es genießen… Dort auf der Bühne zu stehen, ist ja auch erstmal zu verarbeiten.«
Beide Olympioniken nutzen eine kurze Pause, sich in Chemnitz bzw. in Köln von Familie und Freunden zu verabschieden. Dann kehren sie für einen letzten Feinschliff nach Saarbrücken zurück. Von dort geht es kurz vor der Auslosung der Boxwettbewerbe (25. Juli) mit dem TGV-Zug nach Paris. Das vollzieht sich Minister Jost zufolge »schneller, als wenn man in Paris in die falsche Metro steigt«, wie er versicherte. Das war kurz vor dem Moment, als DBV-Cheftrainer Eddie Bolger noch einmal die Rolle der deutschen Kandidaten für den Verband unterstrich.
»Beide sind Vorreiter für einen Wandel im deutschen Boxen«, so Bolger. Und: »Wenn wir zwei solche Athleten entwickeln können, können wir auch ein ganzes Team in dieser Art entwickeln.«