Engagement hat viele Gesichter im Boxverband: Der eine wirkt als junger Aktiver, die andere als Kampfrichterin; wieder andere sind Trainer:innen, führen einen Verein oder einen Landesverband. In der neuen Artikelserie »Wir sind der DBV« porträtieren Bertram Job (Text) und Norbert Schmidt (Fotos) sehr verschiedene Menschen, die sich alle unter dem Dach des DBV einbringen – und unseren Sport damit lebendig machen. Den Anfang macht der Dortmunder Nachwuchsathlet Jermaine Krause.
Der wichtigste Kampf in seiner sportlichen Karriere war ein enges Ding, erzählt Jermaine Krause. Zwei Runden lang hatte er sich in einer Turnhalle in Münster mit seinem Gegner vom BC Vorwärts Bielefeld ein ausgeglichenes Duell geliefert. »Dann sagte mein Trainer, die letzte Runde brauchen wir, und da habe ich alles gegeben. Ich sollte mehr mit der Linken arbeiten, mehr reingehen. Trotzdem dachte ich erstmal, ich hätte verloren. Aber dann wurde meine Hand gehoben. Ich war richtig froh…«
Die große Boxwelt mag noch nicht so genau hingeschaut haben, als der 13-jährige Schüler aus Dortmund im März NRW-Meister der Kadetten im Fliegengewicht geworden ist. Doch seinen eigenen Verein, den Dortmunder Boxsport 20/50, hat er damit stolz gemacht. In dem 1921 gegründeten Traditionsclub, der sogar mal in der Bundesliga war, hält man große Stücke auf das Nachwuchstalent. Und für ihn selbst ist das sowieso ein unvergessliches Erlebnis mit starker Depotwirkung gewesen. »Es hat mich richtig aufgeweckt und süchtig gemacht«, sagt er. »Jetzt will ich noch viel mehr.«
Schon jetzt ein echter Botschafter seines Sports
Es wäre maßlos übertrieben, in dem flinken Schüler aus der siebten Klasse bereits einen künftigen Champion zu sehen. Aber der Funke, der so eine Laufbahn entzünden kann, ist zweifellos zu spüren. Jermaine ist immer da, wenn DBS-Trainer Dieter Weinand, früher selbst dreifacher deutscher Meister, seine jugendlichen Eleven zum Training bestellt – ob nun in der schummerigen Halle der Tremonia-Schule oder im neu eingerichteten Leistungsstützpunkt des westfälischen Boxverbandes, nahe dem Stadion des BVB. Und jeder, der ihm zuschaut, kann erkennen, dass der quirlige Youngster vorbehaltlos für die Sache brennt.
Fußball war nett, wenigstens ein paar Jahre lang, als der zappelige Junge aus dem Stadtteil Hörde im Verein kickte. »Aber so richtig war das nie was für mich«, sagt Jermaine, »ich brauch´ schon was Härteres.« Es ist eben ein gewisser Unterschied: »Im Boxen ist viel mehr Power, da kann ich mehr für mich machen. Ich war schon immer der Typ, der sich gerne bewegt und richtig reinhaut… Es ist klar, dass man auch mal ein paar mitkriegt, aber dafür habe ich ja die Deckung. Und wer austeilt, der muss auch einstecken können.«
Aus solchem Holz soll doch geschnitzt sein, wer in den Nachwuchsabteilungen der Boxvereine seinen Schweiß lässt — sonst hätte der olympische Faustkampf keine echte Zukunft. In dem Sinne ist Jermaine Krause ein wichtiger Botschafter seines Sports, ebenso wie etwa zwanzig andere Schüler und Junioren im DBS 20/50 – und insgesamt Zigtausende unterm Dach des DBV. Jungs und junge Männer, Mädchen und junge Frauen, die hier etwas finden, was sie auch im Kopf weiterbringt. Sie alle sind Teil des Verbands und hauchen ihm gemeinsam eine Seele ein.
Training ist cool — bis auf Liegestütze
Und warum nicht schon ehrgeizige Ambitionen haben? Jermaine zum Beispiel will später mal Profi werden, wie er sagt, „aber erstmal starte ich in der Bundesliga.“ Den Weg dahin will er auf seine Art zurücklegen: »Früher war Mike Tyson mein Vorbild, aber jetzt hab ich meinen eigenen Stil. Ich lerne auch schnell und hab gute Kondition. Nur hör ich oft nicht richtig zu, wenn ich im Ring bin…«
Es waren Aufzeichnungen von Ringduellen auf Youtube, die den Sprössling einer Sinti-Familie seinerzeit fürs Boxen begeisterten. Er suchte seinen Einstieg zunächst bei einer Kampfkunst-Schule, bevor er vor gut vier Jahren in einen »richtigen Boxverein« wechselte. Seither lässt er kaum ein Training aus, springt zu Hause ausgiebig Seil und dreht so gut wie täglich seine Laufrunde im Dortmunder Süden, mit Hip-Hop im Kopfhörer. Fast alles aus dem Trainingsprogramm ist ja ziemlich cool, bis auf die Liegestütze, »aber ich bin gerade dabei, das richtig zu lernen«.
Früher war Mike Tyson mein Vorbild, aber jetzt hab ich meinen eigenen Stil. Ich lerne auch schnell und hab gute Kondition. Nur hör ich oft nicht richtig zu, wenn ich im Ring bin…
Daneben sorgt das gekonnte Nachzeichnen von Manga-Figuren dafür, dass Jermaine nicht überdreht. Dann taucht der Nachwuchsboxer am Schreibtisch ganz tief in andere Welten ein. Wie etwa der von Naruto, dem jungen Helden aus der gleichnamigen Kultserie, der zum Ende ein ›Hokage‹, also ein Feuerschatten der siebten Generation wird. Und glaubt man Dieter Schumann, dem 1.Vorsitzenden von DBS 20/50, so kann er es im Boxen eventuell ähnlich weit bringen.
»Wenn Jermaine sich stetig so weiterentwickelt, kann er eines Tages sehr erfolgreich sein«, so Schumann. »Der Verband hat schon ein Auge auf ihn geworfen, und von uns bekommt er jede Unterstützung. Wir spüren alle, dass er fest dahintersteht.«