Die Viertelfinalbegegnungen am fünften Tag der Europmeisterschaften an der italienischen Adriaküste lichteten die Reihen der Medaillenanwärter im deutschen Team leider deutlich: Von den sechs angesetzten Begegnungen mit Beteiligung von Sportlern des DBV konnte nur eine gewonnen werden. Den Leistungsnachweisen der Athleten wird dieses Tagesergebnis indes nicht ganz gerecht: Bei einem, wenn nicht gar zwei weiteren Kämpfen hätte man auch ein anderes Ergebnis erwarten dürfen.
Viertelfinale: David Gkevorgkian verliert nach Punkten gegen Ruslan Rustamov aus Azerbaidschan
Im ersten Viertelfinalkampf des heutigen Wettkampftages mit deutscher Beteiligung traf David Gkevorgkian in der Gewichtsklasse bis 64 kg auf den Azerbaidschaner Ruslan Rustamov. Der Vergleich der beiden Rechtsausleger fiel im ersten der drei Durchgänge mit 4:1 zugunsten Rustamovs aus. Die Punktrichter mochten mit ihrer Entscheidung die höhere Aktivität des Azerbaidschanen belohnt haben. Entsprechend zeigte sich David Gkevorgkian in der zweiten Runde deutlich engagierter und fokussierter. Gute Beinarbeit und gute Meidbewegungen ließen viele Angriffe des Gegners ins Leere gehen. Aus effektiver Distanzkontrolle setzte der Deutsche stattdessen auch immer wieder eigene Treffer. Dass Rustamov nun innerhalb von nur kurzer Zeit dreimal den Zahnschutzes verlor, führte nicht nur zu einer Verwarnung mit Punktabzug, sondern unterstrich auch, dass dem Azerbaidschanen in der zweiten Runde die Kontrolle des Kampfes entglitt. Die dritte Runde bot im Wesentlichen ein ähnliches Bild: Der Deutsche kontrollierte das Geschehen, erzielte zu Beginn der dritten Minute einen Wirkungstreffer, der auch zum Anzählen hätte führen können und überzeugte auch im Endspurt. So war es mehr als überraschend und nicht ganz nachvollziehbar, dass der Kampf am Ende mit 3:2 Punktrichterstimmen an Rustamov ging.
Viertelfinale: Salah Ibrahim unterliegt nach Punkten dem Russen Akhtem Zakirov
Mit dem Russen Akhtem Zakirov war Salah Ibrahim in der Gewichtsklasse bis 52 kg ein schwieriger Viertelfinalgegner zugefallen. Die Größenvorteile des Deutschen vermochte Zakirov effektiv zu eliminieren, indem er in allen drei Runden nur eine Marschrichtung kannte: Mit seiner massiv vorgetragenen Vorwärtsbewegung und hoher Schlagfrequenz überwand der die von Salah Ibrahim bevorzugte lange Distanz. Das war durchaus von hoher Effizienz, denn für das anschließende Gerangel bestrafte der Ringrichter den Deutschen mit einem Punktabzug für fortgesetztes Halten. Das Ergebnis der ersten Runde bestärkte Zakirov in seiner Taktik, so dass der zweite Durchgang dieses Kampfes ein ganz ähnliches Bild abgab. Mit Druck und Aktivität zwang er Salah Ibrahim trotz seiner Beweglichkeit letztendlich immer wieder in die Nahdistanz, in der er als der kleinere Boxer auch stabiler war. So gab Salah Ibrahim auch diese mittlere der drei Runden ab und startete mit einem nahezu aussichtslosen Rückstand in die letzte Runde, die einen ähnlichen Verlauf nahm. Der deutsche Athlet steckte zu keinem Zeitpunkt auf, aber als er nach der ersten Minute der dritten Runde noch einmal wegen des zu tief gehaltenen Kopfes verwarnt wurde, war klar, dass jetzt nur noch ein Niederschlag den Kampf drehen können würde. Ein solcher Niederschlag (in dieser leichten Gewichtsklasse sowieso selten) mochte aber nicht mehr gelingen, obwohl Ibrahim noch einmal mehr Kraft in seine Schläge legte. Als die neun Minuten vorbei waren, war das Urteil klar: Der Kampf ging mit 5:0 Punktrichterstimmen an den Russen Akhtem Zakirov.
Viertelfinale: Umar Bajwa verliert nach Punkten gegen den Iren Brian Hession
In der Gewichtsklasse bis 56 kg musste sich Umar Bajwa in seinem Viertelfinalkampf mit dem Iren Brian Hession vergleichen. Der Kampf der beiden Normalausleger startete zunächst auf Augenhöhe, doch etwa in der Mitte der ersten Runde gelang es dem Iren, sich mit höherer Aktivität und auch mehr Treffern allmählich, aber eben doch konsequent, Vorteile zu erboxen. Die sportliche Leistung des Iren gab den Punktrichtern die Argumente, diesen ersten Durchgang einstimmig Brian Hession zuzusprechen. Den Auftakt der der zweiten Runde gestaltete Umar Bajwa wieder offensiv in der Vorwärtsbewegung. Doch erneut war es der Ire, der sich den Kampf wiederholte. Dabei vermochte der Sportler des DBV in der dritten Minute dieses mittleren Drittels wieder gute Treffer zu setzen, aber sie reichten eben nicht aus, die Punktrichter auf seine Seite zu bringen: Auch diese Runde ging einstimmig an die rote Ecke. In der letzten Runde ließ es der Ire, seines Vorsprungs bewusst, zunächst ruhiger angehen und hielt mit seiner Führhand die lange Distanz. Als Umar Bajwa zu Beginn der dritten Runde mit offener Deckung zu arbeiten begann, nahm sein Kontrahent die Einladung an und erzielte einen Wirkungstreffer, der leider zum Anzählen des Deutschen führte. Dies sowie die zum Ende des Kampfes wieder gestiegene Aktivität des Iren bedeutete auch den sicheren Gewinn der letzten Runde und somit des ganzen Kampfes, der mit 5:0 Punktrichterstimmen an den Iren ging.
Viertelfinale: Kevin Boakye Schumann gewinnt nach Punkten über Vakhtang Harutyunyan aus Armenien
Im Mittelgewicht bis 75 kg hatte Kevin Boakye Schumann die Aufgabe, sich mit Vakhtang Harutyunyan aus Armenien zu messen. Kevin Boakye Schumann startete die Runde mit einer variabel und blitzschnell eingesetzten Führhand, die den immer wieder heranmaschierenden Gegner gut auf Distanz hielt. Wo der Armenier diese Außenverteidigung durchbrechen konnte, entzog sich der deutsche Athlet meist mit seiner Wendigkeit. Die Taktik ging auf: Mit 3:2 Punktrichterstimmen sprachen die Unparteiischen die Runde dem deutschen Boxer zu. In der zweiten Runde überraschte, dass der Deutsche wegen Haltens punktwirksam verwarnt wurde, obwohl sich dies nicht etwa durch vorangehende Ermahnungen angekündigt hatte. Die Runde ging denn auch an den Armenier, der (den Punktabzug durch die Verwarnung eingerechnet) nun in der Zwischenwertung mit 5:0 Punktrichterstimmen führte. Der Kampf öffnete sich jedoch wieder in der letzten Runde, als nun Harutyunyan seinerseits wegen des zu tief gehaltenen Kopfes mit einen Punktabzug bestraft wurde. Deutliche Treffer des DBV-Boxers auch in diesem letzten Drittel des Kampfes sorgten so nicht nur für den Gewinn dieser finalen Runde, sondern auch des ganzen Gefechts, das Kevin Boakye Schumann schlussendlich mit 5:0 Punktrichterstimmen für sich entscheiden konnte. Mit diesem Sieg und dem Erreichen des Halbfinals war ihm eine Medaille und ein Platz auf dem Siegerpodest sicher.
Viertelfinale: Ben Nosa Ehis muss sich nach Punkten Hambardzum Hakobyan aus Armenien geschlagen geben
Im nächsten Viertelfinalkampf mit deutscher Beteiligung trafen Ben Ehis und Hambardzum Hakobyan im Gewichtslimit bis 81 kg aufeinander. Der Kampf begann gleich mit hoher Intensität und behielt diese Handlungsdichte bis zur letzten Sekunde der letzten Runde. Beide Kontrahenten suchten und hielten die Halb- und Nahdistanz über nahezu den gesamten Kampfverlauf hinweg. Mit guter Ausdauer ausgestattet hielten sie auch die Handlungsdichte auf einem sehr hohen Niveau. Doch weil die Punktrichter sich immer für einen der beiden Athleten als Rundensieger entscheiden müssen, wirken Rundenergebnisse gelegentlich eindeutiger als sie sind: Die fünf Unparteiischen gaben das erste Drittel jedenfalls einstimmig an den Armenier, aber man darf davon ausgehen, dass ihnen diese Entscheidung nicht leicht gefallen war. Der Kampf hielt in den folgenden beiden Runden das Tempo und Niveau der ersten Runde und bewies damit die guten konditionellen Fähigkeiten beider Sportler. Bei der hohen Aktivität in den engeren Distanzen war das Gefecht sicherlich nicht leicht zu punkten, aber die Ergebnisse der beiden weiteren Runden (jeweils eine Split-Decision mit 3:2 für den Armenier) spiegelten nun wenigstens wider, dass es wirklich ein Kampf auf Augenhöhe war, der schlussendlich knapp mit 4:1 Punktrichterstimmen an den Kontrahenten des deutschen Boxers ging.
Viertelfinale: Turpa Hutaev verliert durch Disqualifikation gegen Dmytro Lovchynskyi aus der Ukraine
Unter einem unglücklichen Stern stand aus deutscher Sicht das Viertelfinale im Superschwergewicht über 91 kg, zu dem Turpa Hutaev in den Ring gerufen wurde. Er stand dem Ukrainer Dmytro Lovchynskyi gegenüber, der aus der blauen Ecke heraus boxte. Der Deutsche war seinem Gegner an Größe, Reichweite und Gewicht überlegen, doch diese Vorteile konnten nicht recht zur Anwendung kommen, da der Ukrainer es schon bald in der ersten Runde verstand, die Distanz zu verkürzen. Damit beraubte er Turpa Hutaev seiner wirksamsten Waffen. Mehr noch: Er zwang ihm ein Gerangel auf, das recht bald darin endete, dass Hutaev die Arme des Gegners blockierte. Dieses Halten des Gegners wurde schon in der ersten Runde vom Ringrichter ermahnt. Die Punktrichter werteten das erste Drittel des Vergleichs einstimmig zugunsten des Ukrainers. Als sich das Bild der ersten Runde im zweiten Durchgang fortsetzte, dauerte es nicht lang bis zu ersten punktwirksamen Verwarnung. Für den Ukrainer bestand kein Grund, seine Taktik zu ändern, hatte sie doch nachweislich ihren Erfolg. Entsprechend ging es im Kampf weiter, so dass gegen Ende der Runde nun tatsächlich eine zweite Verwarnung erfolgte. Mit diesem zweiten Punktabzug war der bevorstehende, letzte Durchgang gleich mit zwei Hypotheken belastet: Zum einen war der Punktevorsprung des Ukrainers durch die beiden Punktabzüge so sehr angewachsen, dass für den Deutschen ein Sieg nur noch durch ein vorzeitiges Ende möglich gewesen wäre. Zum anderen würde eine einzige weitere Ermahnung unweigerlich zur Disqualifikation führen. Es kam, wie es kommen musste: Ein weiteres Halten führte schließlich zur Disqualifikation des deutschen Superschwergewichtlers.