Gewichtsklasse bis 57 kg
- Hamsat Shadalov ist 1998 geboren und trainiert am Bundesstützpunkt Berlin.
Das Athletenportrait
Im März dieses Jahres wirkte Hamsat Shadalov noch wie ein tragischer Held: Er hatte bei der Qualifikation fürs olympische Turnier in London das Ticket für eine Reise nach Tokio gelöst, die vorerst nicht staƪand. Sehr bald wurde ihm jedoch klar, in welch günstiger Position er sich befindet. Die Fahrkarte behält weiter ihre Gültigkeit, und das zusätzliche Jahr kann der hochbegabte 22-jährige sehr gut nutzen. »Ich hab jetzt noch mal Zeit, an den letzten Prozenten zu schleifen«, sagt er – und meint damit »einen Haufen Kleinigkeiten«. Schließlich habe er gemerkt, »dass ich technisch noch viel Luft nach oben habe.«
Quirliger Rechtsausleger
Das klingt verblüffend: Für versierte Beobachter gehört der Berliner mit tschetschenischen Wurzeln heute schon zu einem der besten Stilisten in der Nationalmannschaft. Ein quirliger Rechtsausleger, der seine Widersacher mit allen Mitteln der Kunst auszuboxen versteht. Nicht von ungefähr konnte er den deutschen Titel von den Junioren bis zur Elite quasi durchbuchen, acht Mal insgesamt. Sein eigener Anspruch geht indes weit darüber hinaus. »Es gibt das olympische Motto ›Dabei sein ist alles‹«, sagt er, »aber ich geh’ da nicht hin, um Bronze zu holen … Ich bin halt ein sehr ehrgeiziger Mensch, ich will das unbedingt.«
Die Qualifikation schon in der Tasche
Was für eine Wandlung aber auch, die Shadalov beim entscheidenden Kampf in London gegen den irischen Europameister Kurt Walker zeigte. Der sensible Charakter, der vor Nervosität früher oft nicht seinen Mundschutz eingesetzt bekam, war zwar auch diesmal »krass geladen«, wie er gesteht. Doch mit dem ersten Gong konnte er jetzt den Hebel umlegen – und weder verzagt noch überheblich, sondern in perfekter Balance agieren: »Mir war in dem Moment egal, wer vor mir steht. Hätte auch ein Olympiasieger sein können. Es war so ein ›Ich kann und ich werde‹, und das hat mir das Ticket gebracht.«
Die Weltspitze fest im Blick
Spätestens seitdem weiß der Bundeswehr-Angestellte, »dass ich nicht viel schlechter bin als die Weltspitze. Wenn überhaupt, fehlt da vielleicht noch ein kleines Stück. Oder gar nichts.« Diese Erkenntnis tut ihm spürbar gut. Irgendwo hat er zwar abgespeichert, »dass ich was drauf habe und boxen kann«, wie er formuliert. »Aber Selbstbewusstsein habe ich noch zu wenig. Ich bin auch viel zu aufgeregt …« Gegen die Aufregung gibt es allerdings Kaugummi, das er in großen Mengen konsumiert. Und die Erinnerung daran, warum er diesen Weg im Alter von acht Jahren eingeschlagen hat – angeregt auch von Videos berühmter Boxer wie Roy Jones, die er inhaliert hat. »Ich liebe diesen Sport und hab’ von klein auf von Olympia geträumt«, sagt Hamsat Shadalov. »das gibt mir diesen Tunnelblick. Ich hab’ nur diese Medaille vor Augen, der Rest ist mir egal – ob da jetzt hundert Leute in der Halle stehen oder zehntausend.«