Gewichtsklasse bis 75 kg
- Paul Wall ist 1997 geboren und trainiert am Bundesstützpunkt Berlin.
- Beim europäischen Qualifikationsturnier im März 2020 in London schied er mit einer Niederlage aus dem Wettbewerb aus, bevor er coronabedingt abgebrochen wurde.
- In dieser Gewichtsklasse hat der DBV jedoch zwei Olympiakandidaten: Neben Paul Wall außerdem noch Magomed Schachidov.
- Der DBV wird einen von beiden zum Weltqualifikationsturnier entsenden, um in dieser Gewichtsklasse die letzte Qualifikationschance für Tokyo zu nutzen.
Das Athletenportrait
Paul Wall weiß noch recht genau, wann sein Traum begann. Als er acht, neun Jahre alt war, gingen sein älterer Bruder und zwei Cousins längst zum Boxen und waren auf Junioren-Turnieren erfolgreich. »Ich habe die ganzen Pokale und Medaillen gesehen und war natürlich fasziniert«, erzählt er, »und dann wollte ich es auch versuchen.« Irgendwas muss geklappt haben, denn inzwischen hat er selbst eine ansehnliche Sammlung von Auszeichnungen. Dazu gehören die Medaillen für die beiden deutschen Meisterschaften im Weltergewicht (2018 und 2019) sowie die Trophäe für den dritten Platz bei der U22-EM 2017, seinen bislang größten Erfolg auf internationaler Ebene.
Der Rechtsausleger nimmt zweiten Anlauf auf Tokyo
Der jüngste Sohn russischer Spätaussiedler (Jg. 1997) hat eben nicht nur eine ruhige Seite. Zwischen den Ringseilen kann er ziemlich giftig werden und mit seiner Rechtsauslage jeden Gegner vor einige Probleme stellen. Ein sehr methodischer Boxer, der beim Bundesligisten Hertha BSC Berlin wie in der Nationalmannschaft geschätzt wird. Der nächste Schritt wäre die Qualifikation für Olympia, die er nun im zweiten Anlauf anpeilt. Dafür hat er seinen Aufwand gern noch mal erhöht. »Ich will mich immer weiter steigern«, erklärt er, denn »wenn man sich zufriedengibt, kommt man nicht mehr weiter.«
International auf Augenhöhe
Was möglich ist, hat Wall im Sommer 2018 angedeutet, als er in Moskau den amtierenden Europameister bei einem Vergleichstest mit Russland besiegte. Tausende von Zuschauern verfolgten das auf dem Roten Platz – und zu Hause in Berlin fieberte die gesamte Familie bei der Live-Übertragung des russischen Fernsehens mit. Da hat er gespürt, »welchen Stellenwert das Boxen eigentlich haben kann«. »Man muss es nur richtig vermarkten«, ist er überzeugt, »aber wir sind da schon auf einem guten Weg. Sportlich haben wir uns ja nicht zurückentwickelt.«
Kraft und Ruhe
Und für ihn selbst: Bedeutet der Sport »so gut wie alles, sonst würde man nicht so viel Zeit dafür investieren, so lange von der Familie weg sein … Ich habe meine letzten drei Geburtstage im Trainingslager gefeiert. Aber so ist das halt …« Ab und zu, nach größeren Wettkämpfen, nimmt der eher leise Mensch sich jedoch gerne mal raus. Packt sein Zelt ein und seine Angel und setzt sich allein oder mit Freunden für zwei, drei Tage an einen Brandenburger See. Dabei ist es gar nicht wichtig, ob irgendwann tatsächlich ein Karpfen beißt – Hauptsache, Paul Wall findet wieder zu sich. »Oft sagen Leute, ich wirke tiefenentspannt«, sagt er. »Das liegt daran, dass ich gern in mir ruhe, meinen Tunnel hab.«
Und jene Gelassenheit, die ihm auch im Ring zugute kommt. »Als Jugendlicher willst du sofort drei Treffer zurückgeben, wenn du einmal getroffen wurdest«, erinnert sich Wall an die Zeit der ersten Pokale. »Aber mit den Jahren lernst du, die Ruhe zu bewahren.