Gewichtsklasse bis 75 kg
- Silvio Schierle ist 1997 geboren und trainiert am Bundesstützpunkt Frankfurt/Oder.
- Beim europäischen Qualifikationsturnier im März 2020 in London schied er mit einer Niederlage aus dem Wettbewerb aus, bevor er coronabedingt abgebrochen wurde.
- In dieser Gewichtsklasse hat der DBV jedoch drei Olympiakandidaten: Neben Silvio Schierle außerdem noch Andrej Merslyakov und Kevin Boakye-Schumann.
- Der DBV wird einen der drei zum Weltqualifikationsturnier entsenden, um in dieser Gewichtsklasse die letzte Qualifikationschance für Tokyo zu nutzen.
Das Athletenportrait
Das finstere Gesicht eines Terminators sucht man bei Silvio Schierle (Jg. 1997) vergeblich. Der junge MiƩelgewichtler aus Thüringen hat früh einen festen Vorsatz gefasst: »Egal, wie wichtig ein Turnier oder ein Kampf ist: Ich möchte da mit einem Lächeln reingehen, dann komme ich auch mit einem Lächeln wieder raus.« Das versucht der Normalausleger vom Bundesstützpunkt Frankfurt/Oder sich gerade »im Kopf zu erarbeiten«, denn in diesem Geiste hat er seine besten Kämpfe abgeliefert. Umgekehrt kam oft nicht viel dabei heraus, wenn er zu sehr gewinnen wollte und verkrampfte: »Sobald ich so daran gehe, wird es nichts bei mir.«
Boxen mit Spaß und Leichtigkeit
Kann man denn noch Spaß haben, wenn es um die nationale Pole Position im Limit bis 75 Kilo geht? Unbedingt, ist Schierle überzeugt. »Viele der großen Boxer haben nicht versucht, ihre Gegner kaputtmachen«, erklärt er. »Sondern die waren lässig, haben getanzt und auch mal gelacht. Sie haben es einfach genossen, im Ring zu stehen …« So wie Sugar Ray Leonard, »einer meiner absoluten Lieblingsboxer«, der mit seinen Widersachern phasenweise gespielt hat. Und wer das angenehm undeutsch findet, liegt in diesem Fall ziemlich richtig.
Etwas deutsche Mentalität mag Silvio Schierle von seiner Mutter haben, die von der Saale stammt. Durch einen Vater aus Kuba aber wird das im Zweifel mehr als aufgewogen – vor allem, wenn dieser mal einer der besten Boxer seines Landes war. So wunderte sich auch niemand, als der Youngster bereits mit sechs, sieben Jahren zu trainieren begann – und von Stund an nicht mehr damit auĬören wollte. »Für mich ist Boxen nicht nur Sport oder Hobby«, sagt er, »sondern einfach alles im Leben. Ohne das wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin …«
Die Boxkarriere begann mit Schach und Tanzen
Es war keine leichte Kindheit in der Groß- familie, die Dinge des Lebens gab es nicht im Überfluss: »Ich weiß, wie es ist, wenn man gar nichts hat.« Und es war auch nicht leicht mit dem Vater, der erstmal Bedingungen stellte. »Er sagte mir: Bevor du mit Boxen anfängst, musst du erst Schach lernen und tanzen können.« Also wurden Schach und Tanzen »meine ersten Trainingseinheiten« nach der Schule, bevor er sich die Handschuhe überstreifen konnte. Jahre später, als Junior, folgte der erste deutsche Meistertitel: »Das ist so, als wenn man was Neues zu essen probiert und sagt ›Wow!‹. Deshalb wird das für mich immer ein ganz besonderes Highlight sein.«
Im zweiten Anlauf nach Tokyo
Silvio Schierle hatte sich wieder zu viel Druck gemacht, als er im März 2020 bei der (später abgebrochenen) Qualifikation für Tokio im Achtelfinale verlor. Noch im gleichen Monat konnte er bei einem Ländervergleich in Schwerin einen favorisierten Kubaner schlagen. »Ich wusste, dass es ein geiler Kampf wird«, sagt er, »dementsprechend habe ich auch geboxt.« In der lockeren Manier möchte er sich im zweiten Anlauf für Olympia empfehlen, »weil ich diesen Traum hab’, seit ich klein bin.«