Blatt mit vier Damen

Ein Blick hinter die Kulissen der Geschäftsstelle

Die Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle des Deutschen Boxsport-Verbandes von links nach rechts: Kristina Schmidt, Emel Ünsal, Elke Windmüller, Christina Bär (Foto: Norbert Schmidt)

Besu­cher sagen wohl schon Kas­sel dazu, Anwoh­ner spre­chen prä­zi­ser vom Stadt­teil Nie­derz­weh­ren. Die Ruhe der Peri­phe­rie tut jeden­falls allen gut, die hier die Über­sicht bewah­ren müs­sen. Das ist in dem von blau­en Stahl­trä­gern ein­ge­fass­ten Haus an der Kor­ba­cher Stra­ße 93 viel­leicht die wich­tigs­te Übung. Was auf des­sen obers­ter Eta­ge Tag für Tag an ver­schie­dens­ten Auf­ga­ben zusam­men­strömt, braucht einen küh­len Kopf. Oder am bes­ten gleich mehrere.

»Eini­ge glau­ben viel­leicht, dass wir hier öfter mal ein Kaf­fee­kränz­chen hal­ten«, sagt Elke Wind­mül­ler. »Dabei haben wir seit eini­gen Jah­ren kaum noch ruhi­ge Pha­sen.« Sol­che Vor­ur­tei­le haben für Chris­ti­na Bär aller­dings viel mit man­geln­dem Ein­blick zu tun: »Außer­halb der Geschäfts­stel­le weiß doch kaum einer, was wir hier machen, und wie­viel Auf­wand, wie vie­le Maß­nah­men dahin­ter­ste­cken, damit die Akti­ven boxen können…«

Büro­ar­beit kommt eben nicht an ers­ter Stel­le, wenn von Leis­tungs­sport die Rede ist; das gilt sicher für alle olym­pi­schen Dis­zi­pli­nen. Doch wie weit käme der Deut­sche Box­sport-Ver­band ohne das geräusch­lo­se Wir­ken von Kräf­ten wie Frau Bär und Frau Wind­mül­ler? Die jun­ge Frau mit dem Bache­lor in Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten und ihre erfah­re­ne Kol­le­gin machen zusam­men fünf­zig Pro­zent vom Back-Office aus, das an sei­nem Geschäfts­sitz das Tages­ge­schäft erle­digt. Und das ist nun mal der Löwenanteil.

Vier Räu­me, hun­dert Auf­ga­ben: Im ›Maschi­nen­raum‹ des Ver­ban­des kommt kei­ne Lan­ge­wei­le auf

Per­sön­li­che Daten und Ein­sät­ze aller Akti­ven sowie Kampf­rich­ter lau­fend aktua­li­sie­ren; Start­ge­neh­mi­gun­gen und Lizen­zen ertei­len; Mee­tings und Rei­sen für den Vor­stand sowie Trai­nings­maß­nah­men für alle Leis­tungs­ka­der orga­ni­sie­ren bzw. abrech­nen; mit ande­ren Ver­bän­den, stra­te­gi­schen Part­nern und inter­na­tio­na­len Gre­mi­en kor­re­spon­die­ren, bei Bedarf auch in Eng­lisch: Das alles ist in die­sen vier Räu­men so akku­rat wie mög­lich umzu­set­zen, erklärt Chris­ti­na Bär, »und es kommt lau­fend Neu­es dazu, von allen Seiten.« 

Nur gut also, dass da noch zwei wei­te­re, jun­ge Mit­ar­bei­te­rin­nen sind: Emel Ünsal, aus­ge­bil­de­te Kauf­frau für Büro­ma­nage­ment, und Kris­ti­na Schmidt, die ihren Bache­lor eben­falls in Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten erwor­ben hat und sich in Teil­zeit um die Finan­zen sowie das ›Bestell­we­sen‹ küm­mert, von den Start­ge­neh­mi­gun­gen bis zu den Jah­res­li­zenz-Mar­ken. Das ist im Zuge der aktu­el­len Digi­ta­li­sie­rung im Ver­band nicht immer das ein­fachs­te Man­dat, wie sie erfah­ren durf­te: »Wenn da etwas nicht gleich funk­tio­niert, krie­ge ich das natür­lich als Ers­te ab. Im Prin­zip aber kommt das schon sehr gut voran…«

In drin­gen­den Fäl­len brin­gen sich alle aber auch jen­seits ihrer Kern­kom­pe­ten­zen in ande­re Berei­che ein. Das hat laut Wind­mül­ler viel mit Ter­mi­nen und Fris­ten zu tun: »Jeder hilft jedem, sonst funk­tio­niert es auch nicht, bei so weni­gen Leu­ten.« Und wenn doch mal was nicht auf Anhieb klappt, ist sowie­so Frau Bär schuld. Die wur­de zum Juli zur Lei­te­rin der Geschäfts­stel­le ernannt, damit es dort noch kla­re­re Struk­tu­ren sowie eine ers­te Ver­ant­wort­li­che gibt — mit aus­drück­li­cher Lizenz zu eige­nen Entscheidungen.

Stei­le Hier­ar­chien erge­ben sich dar­aus eher nicht, das spürt man schnell auf die­ser Eta­ge. Im Wesent­li­chen ist hier ›ein­fach‹ alles abzu­wi­ckeln, was an der Schnitt­stel­le von 17 Lan­des­ver­bän­den, einem neu auf­ge­stell­ten Vor­stand und fast 900 Mit­glieds­ver­ei­nen anfällt. Das bringt natur­ge­mäß auch mal Rei­bung mit sich. So man­cher Akti­ve oder Funk­ti­ons­trä­ger etwa muss min­des­tens ein zwei­tes und drit­tes Mal erin­nert wer­den, dass da noch Unter­la­gen, Gebüh­ren oder Bei­trä­ge feh­len. Dann üben sich die Ange­stell­ten hier not­ge­drun­gen im nicht-olym­pi­schen Sport des Hinterherlaufens.

»Das nimmt viel Zeit in Anspruch, in der wir längst ande­res erle­di­gen könn­ten«, sagt Wind­mül­ler, die vor ihrer Zeit beim DBV auch schon für den Deut­schen Schwimm­ver­band gear­bei­tet hat. »Dar­um wird man irgend­wann auch im Schreib­stil etwas här­ter… Man­che verstehen’s ein­fach nicht.«

Unter­la­gen, Start­mar­ken, Abrech­nun­gen: Höchs­te Zeit, dass vie­le Abläu­fe digi­tal werden

Das biss­chen Ärger ist in aller Regel jedoch schnell ver­ges­sen, wie auch Emel Ünsal ver­si­chert – und wird durch posi­ti­ve Rück­mel­dun­gen mehr als auf­ge­wo­gen. Außer­dem führt gera­de die Digi­ta­li­sie­rung dazu, dass man­ches Ver­fah­ren bald beschleu­nigt und ver­ein­facht wird. Dann kön­nen Rei­se­kos­ten-Bele­ge ein­fach mit dem Smart­phone foto­gra­fiert und sofort zuge­sandt wer­den. »Das ist gera­de für die Akti­ven eine Rie­sen-Erleich­te­rung«, betont Chris­ti­na Bär.

Und das Code­wort ›Vie­len Dank‹ fällt auch öfters etwa in der Zusam­men­ar­beit mit dem Vor­stand sowie Sport­di­rek­tor Micha­el Mül­ler, der hier über einen eige­nen Schreib­tisch ver­fügt. Der kann sich auch unter­wegs, und das ist häu­fig, auf das Blatt mit vier Damen ver­las­sen, um im Spiel zu blei­ben. »Die Bereit­schaft zu fle­xi­bler, über­grei­fen­der Zusam­men­ar­beit hat sich gera­de in den letz­ten zwei Jah­ren noch mal deut­lich ver­bes­sert«, resü­miert er. Und: »Was die Damen da im Detail alles leis­ten, wird drau­ßen weit unterschätzt.«

Die »lern­be­rei­te, offe­ne Art« (Mül­ler) wird ange­sichts der jüngs­ten Umwand­lun­gen im digi­ta­len Zeit­al­ter auch wei­ter belas­tet wer­den. Bis­her aber wuss­te das unver­zag­te Back-Office noch jedes Tem­po mit­zu­ge­hen. Ähn­lich wie die Boxer und Boxe­rin­nen, die alle vier inzwi­schen schon das eine oder ande­re Mal dicht am Ring erle­ben durf­ten. Was bei allen einen nach­hal­ti­gen Ein­druck hin­ter­las­sen hat.

»Ich war beim Colo­gne Cup und fand es hoch­in­ter­es­sant, was da geleis­tet wur­de«, sagt Chris­ti­na Bär. »Das hat live noch mal eine ganz ande­re Wir­kung als im Fern­se­hen.« Elke Wind­mül­ler wie­der­um war beim Che­mie-Pokal in Hal­le ins­be­son­de­re von der Atmo­sphä­re ange­tan. »Die Leu­te haben sich wie in einer gro­ßen Fami­lie benom­men«, sagt sie, »das hat mir sehr gut gefallen.«