In der Regel beschäftigt Magomed Schachidov sich vor der nächsten Aufgabe mit seinem Gegner. Vor dem Kampf Nr. 71 beim aktuellen Cologne Boxing Cup aber war er mit seinem Trainer Zoltan Lunka übereingekommen, dass sie diesmal mehr sein eigenes Verhalten vorab analysieren, »und vielleicht war das heute der Schlüssel«, zog der 29-jährige Halbschwergewichtler nach dem Halbfinale am Montagnachmittag Bilanz. Den verdienten Punktsieg über Harris Akbar, zweifacher Europameister aus England, schrieb er jedenfalls einem »kleinen Trick« zu, mit dem er schneller als sonst das Gefühl für die rechte Distanz bekam. So waren plötzlich »alle drei Runden wunderbar« und damit in der Summe »deutlich besser als sonst«. Manchmal hat das Mentalmonster aus Bayern in der Vergangenheit doch die erste Runde ohne Not abgegeben, um erstmal vorzuglühen. So wie im Juni bei den European Games in Polen, als er nach drei überzeugenden Erfolgen (u.a. auch über Akbar) am Einzug ins Finale scheiterte – und damit den ersten Zug Richtung Paris 2024 verpasste. Das zu verarbeiten war keine Sache von ein paar Tagen, wie er gesteht.
Schachidov ist damit einer von fünf DBV-Athleten, die sich für die Finalkämpfe am Dienstag durchboxen konnten – neben Salah Ibrahim (Fliegengew.), Murat Yildirim (Federgew.), David Gkevorkgian (Halbweltergew.) und Nikita Putilov (Superschwergewicht), der sich in einem engen Duell mit Norwegens Omar Siha knapp behaupten konnte. Dazu kommen mit Maxi Klötzer (Halbfliegengew.) und Stefanie von Berge (Weltergew.) zwei DBV-Boxerinnen, die ebenfalls noch Chancen auf den Turniersieg haben. Wer von ihnen im schmucken »Saal Maritim« des gleichnamigen Kölner Hotels tatsächlich auch den letzten Schritt gehen kann, werden DBV-Sportdirektor Michael Müller, Chefcoach Eddie Bolger und sein Trainerstab aufmerksam registrieren. Die Performance von Köln wird ja in die Gesamtbetrachtung im Hinblick auf die Nominierung für die beiden Welt-Qualifikationen zu Olympia einfließen, wie Müller an der Pressekonferenz zum CBC-Start betont hat – angefangen von den European Games bis zu einem letzten, internationalen Turnier zum Januar ’24 in England.
Es ist also noch lange nicht Schicht für die Besten im Perspektivkader, doch das kommt einem ehrgeizigen Boxer wie Magomed Schachidov eher entgegen. Er will sich »nicht auf irgendwas ausruhen«, auch wenn er den Kampf Nr.87 gegen Garan Croft, EM-Zweiter aus Wales, am Schlusstag für sich entscheiden kann. Dieser Tage hat er erfahren, dass im November noch ein internationales Turnier in Finnland ansteht. Das behandelt er wie einen Marschbefehl, weil es ihm letztlich entgegenkommt.
»Ich versuche tatsächlich, immer eine Schippe draufzulegen«, sagt er, »und mein Wahlspruch lautet: Es gibt immer noch einen Besseren als den letzten Gegner. Außerdem liebe ich diesen Sport. Wenn man mich fragt, würde ich jeden Tag boxen.«
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