Euro­pa­qua­li­fi­ka­ti­on: Ein Sieg und eine Nie­der­la­ge am drit­ten Tag

Ammar Riad Abduljabbar löst Ticket für Tokyo

Ammar Riad Abduljabbar (rot) holte sich mit großer kämpferischer Leistung die Fahrkarte zu den Olympischen Spielen.

Der drit­te Tur­nier­tag soll­te noch ein­mal zwei Kämp­fe mit deut­scher Betei­li­gung sehen. In der Nach­mit­tags­ver­an­stal­tung trat Hamsat Shada­lov in den Ring, um das Tur­nier dort fort­zu­set­zen, wo er es im März 2020 in Lon­don unter­bre­chen muss­te. Für ihn ging es jedoch nicht mehr um das Ticket für Tokyo, denn in Lon­don hat­te er sich – eben­so wie sein Geg­ner – schon für die Spie­le qua­li­fi­zie­ren kön­nen. Für Ammar Riad Abdul­jab­bar stand die Sache hin­ge­gen gänz­lich anders: Für ihn (und natür­lich auch sei­nen Geg­ner) ging es noch um alles oder nichts. Wer den Ring als Sie­ger ver­las­sen wür­de, hät­te damit sein Start­recht in Tokyo gesichert.

Hamsat Shada­lov unter­liegt dem Rus­sen Albert Batyr­ga­ziev nach Punkten

In die­ser Begeg­nung im Feder­ge­wicht bis 57 kg stan­den sich nicht nur zwei Rechts­aus­le­ger gegen­über, son­dern auch zwei Boxer, die eher die lan­ge Distanz suchen. Der Rus­se Batyr­ga­ziev, für die­sen Kampf in der roten Rin­ge­cke behei­ma­tet, box­te mehr im Vor­wärts­gang, doch Hamsat Shada­lov nahm vie­len Angrif­fen sei­nes Geg­ners mit guter Bein­ar­beit und gutem Distanz­ge­fühl die Schär­fe. Im Gegen­teil: Der deut­sche Feder­ge­wicht­ler setz­te selbst immer wie­der deut­li­che Tref­fer. So wur­de schon in die­ser ers­ten Run­de klar, dass sich ein tech­nisch hoch­wer­ti­ges Gefecht auf Augen­hö­he ent­wi­ckeln wür­de. Die »Augen­hö­he« drück­te sich auch in der Bewer­tung die­ses ers­ten Durch­gangs durch die Punkt­rich­ter aus: Sie gaben die Run­de denk­bar knapp mit 3:2 Punkt­rich­ter­stim­men an Batyr­ga­ziev – und belohn­ten damit wohl auch sei­nen höhe­ren Anteil an Vorwärtsbewegung.

Das grund­sätz­li­che Erschei­nungs­bild des Kamp­fes blieb im mitt­le­ren Durch­gang ähn­lich: Der rus­si­sche Ath­let behielt den höhe­ren Anteil an der Vor­wärts­be­we­gung, aber Hamsat Shada­lov über­zeug­te mit sei­ner Beweg­lich­keit, die ihm immer wie­der aber auch die Gele­gen­heit zu eige­nen effek­ti­ven Aktio­nen gab. In der Mit­te die­ses zwei­ten Durch­gangs ent­wi­ckel­te die Schlag­hand Shada­lovs eine stär­ke­re Effi­zi­enz. Eben­so nah­men sei­ne Zeit­an­tei­le in der Ring­mit­te zu. Gegen Ende des zwei­ten Drit­tels stei­ger­te jedoch sein rus­si­sches Gegen­über noch ein­mal die Akti­vi­tät und sorg­te damit für einen Schluss­ak­zent in die­ser sehr ansehn­li­chen Run­de, die bei­den Ath­le­ten sicht­lich Spaß berei­te­te. Das Urteil fiel wie­der knapp mit 3:2 Punkt­rich­ter­stim­men für Batyr­ga­ziev aus, der sich damit auch die zwei­te Run­de sichern konn­te. Irri­tie­rend war aller­dings eine ein­zel­ne 10:8‑Wertung zuguns­ten des Rus­sen, die nicht erklär­lich ist – und viel­leicht ein­fach auch nur eine Fehl­ein­ga­be gewe­sen sein mochte.

Der letz­te Durch­gang die­ses Kamp­fes sah aber­mals ein hohes Tem­po und eine hohe Dich­te an Aktio­nen. Wie­der war es Batyr­ga­ziev, der Shada­lov ver­folg­te, und wie­der waren es die gute Bein­ar­beit und die Kör­per­be­weg­lich­keit des Deut­schen, die Batyr­ga­ziev sei­ne Auf­ga­be nicht leicht mach­ten, son­dern ihm eini­ges an Ein­satz abver­lang­te. Doch mit fort­schrei­ten­der Run­den­zeit erar­bei­te­te sich der rus­si­sche Ath­let all­mäh­lich Vor­tei­le an zähl­ba­ren Tref­fern, so dass sich die­se Run­de zum Bild aus den ande­ren Run­den füg­te: Ein sehens­wer­ter, fai­rer Kampf auf Augen­hö­he, der mit ein knap­pen Urteil zutref­fend und gerecht bewer­tet ist. Tat­säch­lich ent­schie­den sich die Punkt­rich­ter mit einem 3:2‑Urteil für Albert Batyr­ga­ziev, der aber, eben­so wie Hamsat Shada­lov, bereits für Tokyo qua­li­fi­ziert gewe­sen war. Bei­de mögen die­sen tech­nisch schö­nen Kampf als einen wert­vol­len Teil der Vor­be­rei­tung auf Tokyo verbuchen.

Hamsat Shada­lov (blau) unter­lag in einem tech­nisch schö­nen Kampf nur knapp dem Rus­sen Albert Batyr­ga­ziev. Für Tokyo hat­ten sich bei­de Ath­le­ten schon in letz­ten Jahr qualifiziert.

Ammar Abdul­jab­bar siegt über den Weiß­rus­sen Ulad­zis­lau Smi­ah­lik­au und sichert sich das Tokyo-Ticket

Im Unter­schied zum ers­ten Kampf des Tages mit deut­scher Betei­li­gung soll­te es in die­ser Aus­ein­an­der­set­zung im Schwer­ge­wicht bis 91 kg noch um alles oder nichts gehen: Der Sie­ger wür­de sich mit dem Errei­chen des Halb­fi­na­les für die Olym­pi­schen Spie­le in Tokyo qua­li­fi­ziert haben.

So war es klar, dass Ammar Riad Abdul­jab­bar höchst moti­viert in die­se Begeg­nung mit dem Weiß­rus­sen Ulad­zis­lau Smi­ah­lik­au gehen wür­de. Der Weiß­rus­se in der blau­en Ecke war ein gutes Stück grö­ßer als Ammar Abul­jab­bar, doch es moch­te ihm nicht gelin­gen, in der lan­gen Distanz sei­ne Reich­wei­ten­vor­tei­le aus­zu­spie­len, da der deut­sche Schwer­ge­wicht­ler sei­nen Kon­tra­hen­ten fort­wäh­rend und effek­tiv in der Vor­wärts­be­we­gung unter Druck setz­te und ihm auf die­sem Wege die lan­ge Distanz abnahm. In der sol­cher­ma­ßen erzwun­ge­nen Nah­di­stanz war Abdul­jab­bar aber der akti­ve­re und effek­ti­ve­re Boxer. Ein Cut des Ukrai­ners zwang zu einer Kampf­un­ter­bre­chung – aber am Ende nicht zum Abbruch des Gefechts, da der Ring­arzt die Aus­ein­an­der­set­zung fort­füh­ren ließ. Die Punkt­rich­ter zeig­ten sich nach den drei Minu­ten mehr­heit­lich von der Leis­tung Ammar Abul­jab­bars über­zeugt und spra­chen die Run­de mit 3:2 Punkt­rich­ter­stim­men ihm zu.

Der ließ auch im zwei­ten Durch­gang nichts anbren­nen und ver­folg­te wei­ter­hin sei­ne Stra­te­gie, die sich schließ­lich schon in der ers­ten Run­de als ziel­füh­rend erwie­sen hat­te. Ammar Abdul­jab­ber kann­te also auch in die­ser Run­de nur den Vor­wärts­gang, aus dem her­aus er auch deut­li­che Tref­fer mit der Schlag­hand lan­den konn­te. Der Druck auf den Geg­ner ließ also nicht nach, und so gelang es ihm auch in die­sem mitt­le­ren Drit­tel, sei­nem Geg­ner einen Kampf auf­zu­zwin­gen, den die­ser in die­ser Form wohl ger­ne ver­mie­den hät­te. Dass der Cut in der zwei­ten Run­de ein wei­te­res Mal durch den Arzt inspi­ziert wer­den muss­te, dürf­te außer­dem noch dazu bei­getra­gen haben, dass Ulad­zis­lau Smi­ah­lik­au sein Kampf­kon­zept nicht wirk­lich durch­set­zen konn­te. Die Run­de ging schließ­lich mit 4:1 Punkt­rich­ter­stim­men an Ammar Abdul­jab­bar, des­sen Vor­sprung sich damit ausbaute.

Die letz­te Run­de soll­te kei­ne wirk­li­che Über­ra­schung mehr bie­ten. Die Domi­nanz lag beim deut­schen Schwer­ge­wicht­ler, der nun das Ticket zu den Olym­pi­schen Spie­len durch eine wie­der­hol­te gro­ße kämp­fe­ri­sche Leis­tung tat­säch­lich in Reich­wei­te hat­te. So blieb es bei den ver­teil­ten Rol­len: Ammar Abdul­jab­bar im Vor­wärts­gang und Ulad­zis­lau Smi­ah­lik­au im Rück­wärts­gang. Und wo die Distanz durch­bro­chen war, ergab sich die Nah­di­stanz, in der der Weiß­rus­se sich erst recht nicht ent­fal­ten konn­te. Als die Run­den­glo­cke das inten­si­ve Gefecht been­de­te und das Urteil ver­kün­det wur­de, durf­te sich Ammar Riad Abdul­jab­ber über einen ein­stim­mi­gen Punkt­sieg freu­en, der ihm den Weg ins Halb­fi­na­le und – noch weit­aus ent­schei­den­der – zu den Olym­pi­schen Spie­len freimachte.