Am letzten Tag der Europaqualifikation stand mit Nadine Apetz noch eine Boxerin des Deutschen Boxsport-Verbandes im Turnier. Um das Ticket für die Olympischen Spiele in Tokyo sollte es dabei nicht mehr gehen, denn dieses hatte sich die Kölner Sportlerin bereits mit dem Erreichen des Halbfinales sichern können. So war dieser Finalkampf im Weltergewicht bis 69 kg nicht mehr wirkliche Pflicht, sondern eher Kür. Trotzdem ging die DBV-Athletin die Sache mit Herz an.
Nadine Apetz (in der blauen Ecke) traf auf die amtierende Weltmeisterin und Weltranglistenerste Busenaz Sürmeneli aus der Türkei. Die Größen- und Reichweitenvorteile lagen bei der deutschen Boxerin, deren Strategie es daher war, die kompakte und stabile Gegnerin auf Distanz zu halten. Doch genau dies ließ die Türkin nur selten zu. Sie zwang Nadine Apetz mit Aktivität und Schlagkraft immer wieder in den Rückwärtsgang und schließlich häufig auch in die Halb- und Nahdistanz. Dort fühlte sich Busenaz Sürmeneli, mit Hakenkombinationen arbeitend, sichtlich wohl. Ihr Plan ging auf: Die Punktrichter sahen die türkische Boxerin aus der roten Ecke nach dem Ende der ersten Runde einstimmig im Vorteil.
Der Verlauf der ersten Runde gab in taktischer Hinsicht die Blaupause ab für die folgenden zwei Runden, denn das Bild sollte sich in der zweiten Runde fortsetzen. Nadine Apetz arbeitete vorzugsweise mit Geraden, ihre Kontrahentin suchte jedoch den engeren Kontakt und entfaltete dabei – auch mit einer hohen Schlagfrequenz – unverändert hohen Druck. Mit ihrer guten Oberkörperbeweglichkeit bot sie zudem ein schwierig zu treffendes Ziel und wusste ihre Bewegungen auch als Grundlage variabler und effektiver Kombinationen einzusetzen. Auch der mittlere Durchgang überzeugte die Unparteiischen – so dass auch diese zweite Runde einstimmig an die amtierende Weltmeisterin ging.
Die Ausgangslage für die dritte Runde war damit aus deutscher Sicht ungünstig, zumal Busenaz Sürmeneli ihren Match-Plan nicht änderte, sondern im Gegenteil beharrlich weiter verfolgte. So sah man die bewegliche Türkin nach vorne gehen und variantenreich aus allen Positionen schlagen, wieder vorzugsweise in der Nah- und Halbdistanz. Nadine Apetz steckte jedoch zu keinem Zeitpunkt auf, suchte und fand auch ihre Gelegenheiten, aber gegen die in Spitzenform antretende Athletin aus der Türkei fand die DBV-Athletin zumindest an diesem Tag kein Rezept, um den Kampf noch drehen zu können. Entsprechend ging auch das letzte Drittel dieses Finalkampfes an Busenaz Sürmeneli, so dass das Gesamturteil schließlich einstimmig und auch deutlich für die amtierende Weltmeisterin ausfiel.
Nadine Apetz darf sich aber über ein sehr erfolgreich bestrittenes Qualifikationsturnier freuen, das sie verdient ins Finale und in den Vergleich mit der aktuell wohl besten Boxerin im Weltergewicht führte. Für Tokyo war sie ja schon mit dem Eintritt ins Halbfinale qualifiziert gewesen, doch die Silbermedaille gibt natürlich Rückenwind für die bevorstehenden Aufgaben in Tokyo.